Schlägst du schon beim Lesen der Überschrift die Hände über dem Kopf zusammen, rollst mit den Augen und denkst dir: „Bitte nicht, um Gottes Willen!“?
Keine Panik!
Geschlechtergerechte Formulierungen müssen nicht grausam klingen und aussehen.
Warum geschlechtergerechte Formulierungen?
Vielleicht kennst du die folgende Geschichte. Ich habe sie zuerst auf finnisch gehört, sie funktioniert aber auch auf englisch:
A father and his 14-year-old son drive in the car. When they stop at a red light, the car behind them crashes into their car. An ambulance is called, the son is taken to hospital. „Nothing bad“, the dad is told and the place of the accident, „we will just do some check-ups. You can follow us later, when the police does not need you any more.“
The son arrives in hospital. When he is brought into the emergency unit, the doctor looks up from the desk and shouts: „MY SON!“
Wie ist das möglich?
Ganz einfach: „the doctor“ im Krankenhaus ist die Mutter des Kindes.
Welches Bild hattest du im Kopf, als du „the doctor“ gelesen hast? Statistisch gesehen war es vermutlich ein Mann — selbst, wenn du weiblich bist.
Klar könnte ich dir jetzt viele Quellen nennen, die untermauern, dass Sprache unsere Realität beeinflusst, dass die sprachliche Einbeziehung von weiblichen Charakteren dazu führt, diese auch bewusster wahrzunehmen und dass die Reduzierung auf ein generisches Maskulinum nicht die Lösung ist (auch, wenn sie sprachübergreifend über mehrere Jahrtausende Standard war).
Du bist aber nicht hier, um dich in feministischer, sprachwissenschaftlicher oder historischer Forschung zu beschäftigen. Du bist hier, weil du gute Texte brauchst.
Und genau deshalb solltest du geschlechtergerecht formulieren:
Wie fühlt sich deine Zielgruppe angesprochen?
Mit deinen Texten willst du eine bestimmte Zielgruppe abholen. Niemand von uns richtet sich „an alle“. Nicht einmal die Bibel ist für alle — und die wird häufig als das meistverkaufte Buch aller Zeiten genannt.
Die Frage ist also nicht: Ist geschlechtergerechte Sprache sinnvoll? Die Frage ist stattdessen: Wie nutzt du geschlechtergerechte Sprache, so dass sich deine Zielgruppe angesprochen fühlt? Wie kannst du dafür sorgen, dass die Menschen beim Lesen genau diejenigen Bilder im Kopf haben, die du erschaffen willst?
Richtig oder falsch?
Es gibt nicht die eine Weise, richtig zu gendern. Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten, und nicht alle passen für jeden Text. Deshalb befehle ich dir an dieser Stelle auch nicht, dass du dich gefälligst für den Doppelpunkt, das Sternchen, das Binnen-I, den Schrägstrich oder das Ausschreiben der männlichen und weiblichen Form entscheiden musst. Ich werde deine Texte auch nicht einfach so gendern, wie ich es für richtig halte.
Stattdessen werde ich mit dir zusammen besprechen, welche Zielgruppe du ansprechen willst, welche Werte den Menschen in dieser Gruppe wichtig sind und wie du das sprachlich ausdrücken kannst. Vielleicht merken wir dabei auch, dass Geschlechtsneutralität gar nicht das Ziel deiner Texte ist, weil du sehr bewusst ein einziges Geschlecht anschreibst. Das ist auch eine wichtige Erkenntnis, die wir dann entsprechend in deinen Texten hervorheben können.
Aufgrund unserer gemeinsamen Arbeit schlage ich dir Varianten vor, wie du deine Texte so formulierst, dass diese folgende Kriterien erfüllen:
Kriterien deiner Texte
- Deine Texte sind gut lesbar.
- Deine Texte entsprechen den Werten deiner Zielgruppe.
- Deine Texte vermitteln Wissen.
Ja, die Wissensvermittlung steht in der Tat erst an dritter Stelle. Wenn nämlich die beiden anderen Aspekte nicht abgedeckt sind, verlierst du bereits neunzig Prozent deines Publikums…
Mehr als Geschlecht
Übrigens ist geschlechtergerechte Sprache nur ein Aspekt von Diskriminierungsfreiheit. Schreibst du manchmal „das ist doch behindert“? Oder glaubst du, „selbst die Kopftuchoma“ versteht das? Hast du schon mal etwas „getürkt“? Soll sich jemand „nicht so mädchenhaft“ anstellen? Oder ist etwas „schwul“? Wir können mit unserer Sprache bewusst oder unbewusst bestimmte Bevölkerungsgruppen herabwürdigen. Ich richte deine Texte darauf aus, dass dir solche Ausdrücke nicht mehr unterlaufen — außer, du setzt sie sehr bewusst ein, um auf Missstände aufmerksam zu machen.
Klingt dieser Text doof?
In diesem Text habe ich keine generisch maskulinen Worte als Umschreibung für eine ganze Gruppe eingebaut. Eine Ausnahme dazu gibt es:
Um Gottes Willen: Hier hätte ich natürlich auch eine Göttin statt eines Gottes nennen können, oder neutral „um Himmels Willen“ schreiben können. Ist es dir aufgefallen? Vermutlich nicht, denn diese Art von Ausdrücken sind uns so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir sie kaum mehr hinterfragen.
Cool, oder? Der Text liest sich flüssig, und dennoch ist er geschlechtsneutral geschrieben.
Geschlechtergerechte Texte sind Übungssache
Am Anfang fällt es dir vielleicht noch schwer. Das ist ganz normal. Schreiben ist Übungssache; und da machen geschlechtergerechte Texte keine Ausnahme. Aber du weißt bestimmt, worauf ich hinaus will: Je mehr du übst, desto leichter wird es. Wenn du dabei Hilfe brauchst, bist du bei mir an der richtigen Stelle. In Workshops erarbeiten wir gemeinsam eine Strategie für dich. Oder ich überarbeite Texte, die du bereits geschrieben hast. Oder du lässt mich direkt für dich schreiben.